Zeitungsartikel vom 28. Mai 1998 Ibbenbürener Anzeiger:
Neues Kulturzentrum für Ibbenbüren und Umland Alter Speicher Dörenthe
Künstler und Theaterleute brauchen Unterstützung
90 Jahre hat er auf dem Buckel, seit 30 Jahren wurde er mehr oder weniger als Rumpelkammer“ genutzt: Der Kornspeicher im Dörenther Hafen. Jetzt kommt Leben in die Bude: Der alte Bau soll als Kulturspeicher jeglichen kulturell oder künstlerisch Interessierten als Probe- und Aufführungsstätte zur Verfügung stehen. Am 6. und 7. Juni startet ein Testwochenende mit viel Musik, einer Foto-Ausstellung und Theater (dabei drei Premieren!). Viel Arbeit war nötig, um das Gebäude soweit herzurichten. Viel Arbeit wird auch in Zukunft nötig sein, um den ehemaligen Speicher als Kultur-Tempel nutzbar zu machen. Eine Riesenchance für Ibbenbüren und Umland – was fehlt, ist Geld.
Ausstellungseröffnung, Annette von Droste-Hülshoff-Lesung, Jazz und Rock´n Roll, Theater und Akrobatik: Zwei Tage Kultur pur und das alles bei freiem Eintritt: Am 6. und 7. Juni soll der alte Kornspeicher in Dörenthe als mögliches neues Kulturzentrum der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Seit ungefähr 30 Jahren wird der ehemalige Kornspeicher im Dörenther Hafen nicht mehr genutzt. Im Laufe der Zeit sammelte sich jede Menge „Krempel“ dort an – Dinge, die niemand mehr benötigt. Auf der Suche nach einer Spielmöglichkeit im Winter für seinen Boule- Verein inspizierte Walter Bergschneider das ehrwürdige Gebäude, das sich in seinem Besitz befindet. Doch sein Vereinskollege Robert Rickert hatte eine bessere Idee, als dort Sand für das französische Kugelspiel hinzuschütten: „Dies ist ein absolut idealer Ort für kulturelle Veranstaltungen.“ Auch Bergschneiders Lebensgefährtin Monika Haselon hatte schon mit diesem Gedanken gespielt. Sie plante spontan eine Foto-Ausstellung in dem alten Speicher. Rickert, Mitglied des VHS- und Quasi So-Theaters, sprach mit seinen Theaterfreunden. Gemeinsam mit weiteren Ibbenbürener Künstlern wurde ein mögliches „Eröffnungsprogramm“ entwickelt. Sogar das Fernsehen wurde auf diese Planungen aufmerksam: Der WDR brachte einen Bericht über die bis dahin nur theoretischen Planungen. Dies war der Auslöser, auch endlich mit der praktischen Arbeit zu beginnen, an der Initiator Rickert mittlerweile schon manches Mal fast verzweifelt wäre. Denn obwohl verschiedene kulturell Interessierte und einige Dörenther Bürger kräftig mit anpacken, drohte die erforderliche Arbeit über den Kopf zu wachsen.
Zuerst wurde der Bau Anfang März komplett geräumt, wobei auch Walter Bergschneider hilfreich zur Seite stand. Dabei mussten unter anderem vier monströse Elevatóren (Schüttschächte mit Fördereinrichtung für Getreide), bestehend aus Holz und Stahl, ausmontiert werden.
Da das Gebäude seit drei Jahrzehnten nicht von Menschen genutzt wurde, hatten andere Lebewesen Einzug gehalten. Allein zwölf Säcke Taubenmist schleppten die fleißigen Helfer aus dem Speicher. Anschließend erforderte es einige Detektivarbeit, bis die letzten Schlupflöcher für jegliches Getier gestopft werden konnte. Noch jetzt sitzen Tauben auf den Fensterbänken und suchen nach einem Einlass. Eine Woche dauerte es, das Gebäude mit einem Hochdruckreiniger und Kanalwasser komplett auszuspritzen. Mittlerweile wurde schon eine Etage komplett gestrichen – hier sollen die Fotografien von Monika Haselon ausgestellt werden. Ende dieser Woche wird im Erdgeschoss eine mobile Bühne aus dem Ibbenbürener Bürgerhaus für die Theateraufführungen montiert. „Für uns ist der 6./7. Juni ein Test- wochenende, um festzustellen, ob so ein Projekt in dieser dezentralen Lage überhaupt durchgeführt werden kann und sich weitere interessierte Gruppen einfinden“, erklärt Robert Rickert gegenüber dem Anzeiger. Sowohl das Quasi So-Theater wie auch das Fronz Theater würden dort gerne weitere Stücke aufführen.
Denn Atmosphäre wie auch Ambiente des antiken Baus sind für künstlerische Zwecke schlechthin ideal. Im Herbst könnte ein Sandstein-Bildhauer-Workshop stattfinden. Denkbar ist so vieles: Proberäume für Bands, Einrichtungen einer Künstler-Werkstatt, Gründung einer Puppenbühne, Workshops oder die Einrichtung eines Cafés bzw. Restaurants mit idyllischem Blick auf den Kanal und die Münsterländer Parklandschaft. Durch die meterdicken Mauern würde kaum ein Laut nach draußen dringen, niemand würde sich gestört fühlen. Rickert und seine Helfer würden einen Verein gründen, der sich um das Gebäude und die Organisation kümmert – ehrenamtlich natürlich. Obwohl Bergschneider das Gebäude kostenlos zur Verfügung stellt, werden aber Kosten anfallen: Bis jetzt gibt es noch keine sanitären Anlagen (am Eröffnungswochenende wird ein Toilettenwagen aufgestellt) und keine Heizung. So kann momentan nur ein Sommerbetrieb geplant werden.
Die Kulturschaffenden sind daher auf der Suche nach Sponsoren, die die Einrichtung eines Ibbenbürener „Kulturspeichers“ unterstützen. An der massiven Bausubstanz selbst – jeder Quadratmeter hat eine Tragfähigkeit von 1.200 Kilogramm – sind eigentlich kaum Arbeiten notwendig. Jede Veränderung würde nur den reizvollen Charakter des alten Speichers beeinträchtigen. Auch die Stadt Ibbenbüren müsste eigentlich Interesse an diesen Planungen haben. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Probleme, weil für die verschiedenen Theatergruppen nicht genügend Platz für Proben zur Verfügung stand. Zudem bietet sich hier die Riesenchance, eine vielfältige multifunktionale Kulturstätte als Pendant zum Bürgerhaus einzurichten, die Besucher von nah und fern anziehen kann. Die Amateur-Künstler haben ihre große Bereitschaft zum Aufbau eines Kulturzentrums bereits bewiesen: Alle Vorführungen am 6. und 7. Juni (Programm nebenstehend) werden bei freiem Eintritt angeboten. So hoffen die Veranstalter natürlich auf regen Zuspruch. An den Räumen interessierte Gruppen oder natürlich auch Einzelpersonen sind natürlich ebenso herzlich willkommen wie jede helfende Hand.